Kategorien
Allgemein

Globuli

Präparate, die so stark verdünnt werden, dass sich kein Wirkstoff mehr darin befindet – nein, heute geht es nicht um die Entwicklung der Sozialdemokratie, sondern um Globuli.
Die Zuckerkügelchen mit einer Aura von Medizin. Sie machen es sich mal unter meiner Zunge, mal in der Verfassung der Schweiz gemütlich. Zwar werden Globuli darin nicht namentlich erwähnt. Sie sind aber die wohl prominentesten Vertreter der Komplementärmedizin. Diese wurde von der Stimmbevölkerung im Mai 2009 mit dem Artikel 118a79 bedacht: «Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin.»

So weit so schwammig. Konkret hat dieser Artikel beispielsweise dazu geführt, dass Globuli in der Schweiz mittlerweile von der Grundversicherung bezahlt werden. Davon wird gerne Gebrauch gemacht: 2021 haben die hiesigen Krankenkassen laut dem Beobachter homöopathische Leistungen mit einem Wert im tiefen zweistelligen Millionenbereich übernommen, fünf Millionen Franken davon fielen auf Globuli und andere homöopathische Arzneimittel. In einer 2017 erschienenen Studie gaben 23% der befragten Zürcher Ärzt:innen an, mindestens einmal jährlich homöopathische Arzneimittel zu verschreiben. Von diesen 23% gab wiederum die Hälfte an, die Mittel zu verschreiben, um die in der Packungsbeilage versprochene Wirkung zu erzielen.

Das ist zunächst beruhigend, konnte doch die Wirkung von Globuli und Co über den Placeboeffekt hinaus seit der Erfindung der Homöopathie nie nachgewiesen werden. Gleichzeitig gibt es mindestens Anlass zum Nachdenken, wenn eine beträchtliche Anzahl an Ärzt:innen «Medikamente» verschreibt, an deren Wirkung sie nicht glaubt. Offenbar lässt es unser Gesundheitssystem nicht zu, dass sich Mediziner:innen Zeit nehmen, um auf die Bedenken derjenigen Personen einzugehen, die gegenüber der Schulmedizin oder von Komplementärmedizin mit tatsächlicher Wirkung Bedenken haben. Kosteneffizienter ist es anscheinend, Diskussionen zu vermeiden und Patient:innen mit glorifizierten Tic Tacs nachhause zu schicken.

Das kann man so wollen. Sich dann aber darüber zu wundern, dass die Schweiz in der Corona-Pandemie eine der tiefsten Impfquoten hatte – man müsste schon ein:e Zürcher Ärzt:in sein, um mit einem derartigen Widerspruch fertig zu werden. Wem das hingegen Kopf-, Bauch- oder sonstige Schmerzen bereitet, kann ich wärmstens empfehlen, sich eine Suppenkelle Globuli unter die Zunge zu bugsieren. Das hat schliesslich noch immer geholfen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert