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Der Fall «Einheitskasse»

Bereits vier Mal hat sich die Schweiz eingehend mit der Einführung einer Einheitskasse beschäftigt (1994,2003,2007,2014). Noch nie konnte sich das Anliegen eine Mehrheit bei der Stimmbevölkerung sichern. Für die Befürworter*innen gibt es allerdings einen Lichtblick: Die Zustimmung ist kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 1994 sagten 23 Prozent ja, zwanzig Jahre später waren es bereits 38.5%.

Santesuisse, ein einflussreicher Branchenverband der Krankenkassen, äusserte sich zur gewonnenen Abstimmung von 2014 stolz: «Damit haben sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mehrmals klar für Wettbewerb und Wahlfreiheit in der solidarisch finanzierten Grundversicherung ausgesprochen.»1

Die Ironie sticht ins Auge: «Wettbewerb» im selben Atemzug mit «solidarisch» zu verwenden, und diese als sich komplementierende Eigenschaften zu verstehen, wirkt grotesk. Es deckt sich aber mit den durchaus fragwürdigen Argumentationen der Krankenkassen und ihren Verbänden. Wie kommt es, dass die Krankenkassenprämien in diesem privatwirtschaftlichen System jährlich steigen, das doch für eine optimale Allokation von Ressourcen sorgen sollte? Die einfache, sich jährlich wiederholende, Antwort: Der Preisanstieg sei linear zu den erbrachten Leistungen. Oberflächlich betrachtet, scheint dieses Argument immerhin bis zu einem gewissen Grad schlüssig: Die Alterung der Bevölkerung, die gestiegenen Erwartungen an die medizinische Behandlung und die fortschreitenden technischen Möglichkeiten sind dabei die tragfähigsten Argumente. Es ist aber bestenfalls eine oberflächliche Analyse des strukturellen Problems, welches sich in der Gesundheitsversorgung kontinuierlich verschlimmert.

Denn hier kommen wir zu den Aspekten, die von Profiteuern des Status Quo verschwiegen werden. Eine Studie von 2021 verglich in zehn Ländern (GB, NO, FR, DE, SE, NL, CA, AU, CH, NZ, US), welcher Prozentsatz der Bevölkerung Einschränkungen in der medizinischen Grundversorgung aufgrund von Finanzierungsproblemen erhalten hat. Die ernüchternde Bilanz: nur die USA schneiden noch schlechter als die Schweiz ab.2

«Nur die USA schneiden noch schlechter als die Schweiz ab.»

Im sonstigen internationalen Vergleich brilliert die Schweiz. Die erbrachte Qualität gehört zu den besten der Welt, wobei die Behandlungen, die aufgrund zu hoher Kosten nicht erfolgen, natürlich nicht in diese Statistik mit einfliessen. In qualitativer Hinsicht gibt es zwei andere Länder, die mit der Schweiz vergleichbar sind – Norwegen und Dänemark. Also ein Indiz dafür, dass die privaten Krankenkassen wirklich für einem Qualitätszuwachs sorgen? Wohl kaum. Dänemark besitzt eine Einheitskasse und Norwegen hat beinahe das gesamte Gesundheitswesen verstaatlicht. Woher kommen also diese nicht qualitätsbezogenen Kosten? Private Krankenkassen sind an der Optimierung der Quartalszahlen interessiert – Das heisst, dass Prävention, die zwar langfristig kostengünstigste aber kurzfristig teuerste Behandlungsmöglichkeit für den Grossteil aller Krankheiten, wird wie ein unliebsames Stiefkind behandelt. Der gewinnorientierte Aktionär denkt nur bis ins nächste Quartal und interessiert sich nicht für eine Präventivbehandlung die frühstens in 15 Jahren Gewinn abwirft.

Longchamps Analyse im SRF Abstimmungsstudio von 2014: Je höher die Krankenkassenprämien in einem Kanton waren, desto höher auch die Zustimmung zur Einheitskasse. Heisst auf dem momentanen Kurs schaufeln sich die privaten Krankenkassen ihr Grab selbst. Bei aller Freude, die darüber aufkommen mag, ist das nur ein schlechter Trost für diejenigen, die sich heute eine medizinische Behandlung nicht leisten können.

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